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„Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat soviel Pinke-Pinke, wer hat soviel Geld?“


Sofort haben wir die Melodie im Ohr. Denn wer kennt es nicht, das bekannte Karnevalslied von Jupp Schmitz und Kurt Feltz. Weniger bekannt ist, dass dieses Lied vor dem Hintergrund der Preissteigerungen durch die Währungsreform 1948 entstanden ist.


Wer soll das bezahlen? – Diese Frage wird in der nächsten Zeit zuneh­mend Bedeutung erlangen. Vor allem, wenn sich die Bedrohung durch die Covid19-Pandemie entspannt und die Lage aus medizinischer Sicht be­herrsch­bar scheint. Dann wird die Frage immanent, wer für die Kosten der milliar­den­schweren Hilfs­­pro­gram­me und Sofort­hilfen aufkommt. Dabei sind die volkswirtschaftlichen Schäden durch den „Lockdown“, die Mehrausgaben durch Kurz­arbeit und steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Steuerein­nahmen noch gar nicht berück­sichtigt.


Wer soll das bezahlen? – Diese Frage birgt enormen gesellschaftlichen Sprengstoff in sich. Und sie ist in weiten Teilen eine (wirtschafts-)politische Grundsatzentscheidung. Die Frage, ob man einen angebots- oder nachfrageorientierten Ansatz wählt. Die einen wollen die Wirtschaft schützen, die anderen die Nachfrage im Inland ankurbeln. Die einen fordern da­zu Staatshilfen für Konzerne, auch wenn diese aktuell bereits durch die Möglichkeit zur Kurzarbeit entlastet werden und zeitgleich Dividenden und Boni in Milliardenhöhe aus­schüt­ten. Da sind schon wieder neue Kaufprämien für die Automobil­industrie im Gespräch oder allein 9 Milliarden an Staatsgeldern für die Lufthansa. Die anderen wollen den Sozialstaat und die staatlichen Investitionen ausbauen. Keynes könnte eine Renaissance erleben. Nach den Haushaltsüber­schüssen in den letzten wirtschaftsstarken Jahren, könnten nun in der Krise mit einer stärkeren Neuverschuldung neue Wachstumsimpulse geschaffen und die ökonomischen Folgen der Covid19-Pandemie abgemildert werden.


Wer soll das bezahlen? – Diese Frage ist auch eine Frage der politischen Akteure und der Mehr­heiten in unserem Land. Da gibt es die Union, die die von der SPD geforderte Grundrente erneut zur Disposition stellt, mit Markus Söder, der die komplette Ab­schaf­fung des „Soli“, auch für das einkommensstärkste Zehntel der Bevölkerung, und Steuer­sen­kungen fordert. Oder Friedrich Merz, der Steuererhöhungen per se ablehnt und fordert: „Wir sollten nach der akuten Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Ge­mein­den auf den Prüfstand stellen“ und dabei explizit auch die sozialen Transferleistungen ein­be­zieht. Übrigens derselbe Merz der sich schon früher für eine Begrenzung des Sozialstaates ausgesprochen und eine Studie der TU Chemnitz gelobt hat, welche einen Betrag von 132 bis 278 Euro als ausreichend für eine Existenzsicherung im engsten Sinne errechnet hat.


Auf der anderen Seite steht die Sozialdemokratie, u.a. mit Olaf Scholz, der erneut die Ein­füh­rung einer Finanztransaktionssteuer fordert. Der geplante Steuersatz von 0,2 Prozent auf Aktien­­käufe würde rund 1,5 Mrd. Euro an Einnahmen generieren. Auch über eine einmalige Vermögensabgabe wird laut nachgedacht. Der „Soli“ soll für die reichs­ten zehn Prozent der Bevölkerung beibehalten werden, genauso wie die Grundrente, wel­che rund 1,3 Mio. Rentnerinnen und Rentnern den Gang zum Sozialamt ersparen würde. Die SPD spricht sich dagegen aus, dass Konzerne Staatshilfen erhalten, solange sie noch Divi­denden auszahlen. Auch die Boni-Zahlungen an Manager sollten in vor staatlicher Hilfe be­grenzt wer­den. Mit einem eigenen Hilfsprogramm wollen Scholz und die SPD die Kom­munen, die be­son­ders von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind, mit 57 Mrd. Euro unterstützen. Da­mit sollen die Städte und Gemeinden handlungsfähig bleiben und vor Ort eigene Impulse für neues Wachstum setzen können. Aus diesem Wachstum heraus können die jetzigen Steuer­ausfälle reduziert und Mittel zum Ausgleich des Defizits erzielt werden.


Und dann gibt es da noch die AfD. Um sie ist es ruhig geworden. Sie versucht gerade mit einer Querfronstrategie, Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und sonstige Unzufriedene auf ihre Seite zu ziehen. Zur Problemlösung an sich trägt sie nichts bei: Die selbsternannte „Partei der kleinen Leute“ fordert ebenfalls wirksame Steuerentlastungen – u.a. auch die Abschaffung des „Restsoli“ – und spricht sich gegen jede Form von Vermögensabgaben aus. Und natürlich für strikte Grenzkontrollen.


Wer soll das bezahlen? – Darüber entscheiden auch die Bürgerinnen und Bürger bei den nächs­ten Wahlen. Eines ist sicher: Die Folgen der Covid19-Pandemie werden uns über Jahre hinaus beschäftigen. Betrachtet man sich die aktuellen Umfragewerte, konnte die SPD v.a. mit ihren Ministern Olaf Scholz (Finanzen), Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) und Franziska Giffey (Familie, Senioren, Frauen und Jugend) bis dato nicht punkten. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes (gegen den Widerstand der Union), der Schutzschirm für Arbeitsplätze, der Kinderzuschlag für Familien, der Kündigungsschutz für Mieter, die Grundrente, und vieles mehr – von all dem konnte die Partei in der Wählergunst nicht profitieren. Gewonnen hat die Union, welche bis zu 15 Prozentpunkte hinzugewonnen hat. Mit Julia Klöckner (Ernährung und Landwirtschaft), welche mitten in der Krise in einer bezahlten Koch-Show Billigfleisch vom Discounter anpreist. Mit Andreas Scheuer (Verkehr und digitale Infrastruktur), der sich elf Millionen nutzlose Schutzmasken aus China hat andrehen lassen. Mit Jens Spahn (Gesundheit), der erst verkündet, die Angst vor den Virus sei „gefährlicher als das Virus selbst“, dann wochenlang beschwichtigt und die Bevorratung von Schutzkleidung und Masken trotz entsprechender Warnungen versäumt hat. Mit Armin Laschet und Markus Söder, welche in einen Popularitätswettstreit getreten sind, wer am schnellsten welche Maßnahmen ergreifen kann. Und mit Friedrich Merz, dem ehemaligen Aufsichtsratschef von BlackRock, der den Sozialstaat begrenzen möchte.


Wer soll das bezahlen? – Die Verteilungskämpfe haben begonnen. Die bisherige Solidarität und Geschlossenheit in der Corona-Krise sind vorbei. Es bleibt zu befürchten, dass sich die Fraktion derer durchsetzen wird, welche die Konzerne schützen und die Sozialleistungen „überprüfen“ werden. Die dann einsetzende Unzufriedenheit, die zusätzlichen sozialen Verwerfungen drohen den sozialen Frieden in unserem Land zu erschüttern. Dann schlägt erneut die Stunde der Populisten und Rattenfänger. Und am Ende könnte – wie schon nach der Flüchtlingskrise – paradoxerweise die AfD die große Gewinnerin sein. Auch wenn gerade sie nichts für Unzufriedenen getan hat.

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