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Ja, geht's noch? - #1: Niveau-Limbo der CDU im sächsischen Wahlkampf


 

Es gibt Momente, da bin selbst ich einfach sprachlos. Da schwillt einem sofort der Kamm und man würde am liebsten in Manier eines Gernot Hassknechts in die Welt hinausrufen: „Ja, geht´s noch?“. Heute trifft mein Unmut die sächsische CDU, welche sich aktuell im Wahlkampf befindet.

 

Sachsen steht an sich gut da: Die niedrigste Verschuldung auf Landesebene und rech­nerisch pro Kopf in den Kommunen. Viele gut aufgestellte Unternehmen mit hoher Inno­vations­kraft. Die Landschaft ist schön, touristisch gut erschlossen. Der Aus­län­der­anteil be­wegt sich mit 8,2 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das ver­füg­bare Ein­kom­men ist in Sachsen am höchsten im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Bun­des­ländern. Und doch besteht gleichzeitig eine hohe Unzufriedenheit.

 

Der organisierte Rechtsextremismus sitzt wie ein Stachel im Fleisch des Freistaats: Der III. Weg, die NPD, die Identitäre Bewegung, die Neue Stärke Partei, die Freien Sachsen und zahlreiche andere Gruppierung treiben in dem ansonsten schönen Land ihr Unwesen. Die Junge Alternative und auch die AfD in Gänze gelten in Sachsen nach Angaben des Verfassungsschutzes als „gesichert rechtsextrem“. Und genau diese rechts­extre­mis­ti­sche AfD steht drei Wochen vor der Landtagswahl bei 30 Prozent – wäre damit zweit­stärk­ste Kraft nach der CDU. Das zumindest populistische BSW käme auf elf Prozent. SPD und Grüne müssen mit aktuell sechs Prozent um den Einzug in den Landtag bangen, die Linke wäre mit vier Prozent schon raus. Die FDP wird schon gar nicht mehr als eigener Posten ausgewiesen.

 

Wie soll das Land künftig regiert werden? Wie geht man damit um, dass fast ein Drittel der Wähler Extremisten wählen will?


Es wäre an der Zeit, sich dem zu stellen. Eine klare Kante für unser Demokratie zu zeigen. Zu beweisen, dass die beschworene „Brandmauer nach rechts“ nicht nur in Sonntags­reden, sondern eben real existiert. Das Land droht in den politischen Extremismus weg­zukippen. Und was sagt der sächsische Ministerpräsident Kretschmer im Wahl­kampf?  „Ich will ein Sachsen, in dem sich Leistung wieder lohnt.“„Dann geh doch zu NETTO…,“  will man rufen, „…äh.. dann mach das doch!“. Kretschmer ist seit Dezember 2017 Minis­ter­präsident. Seine CDU führt seit 1990 die Regierung an. Das bedeutet 34 Jahre Re­gie­rungs­verantwortung, 34 Jahre Gestaltungszeit.

 

Wenn aktuell politische Zeichen gesetzt werden, sind das solche wie „Rechtschreibung statt Gender­zeichen!“. Das ist der inhaltliche Kniefall vor den Stimmungsmachern der AfD. Das Aufgreifen der Forderungen der extremen Rechten hat noch nie dazu geführt, Stim­men zu gewinnen. Es trägt nur dazu bei, dass diese die Agenda setzen.

 

Den absoluten Niveau-Limbo hat die sächsische Union allerdings mit ihrem gestrigen Facebook-Post geliefert. Dort heißt es: „Für Vernunft statt Ideologie“ – darunter ein Mann beim Rasenmähen und die wichtige politische Botschaft „Grün in Sachsen kurz halten.“

 

Nicht die AfD scheint das Problem zu sein. Nicht die Frage, wie man damit umgeht, dass sich eine zunehmende Anzahl an Menschen von der Demokratie scheinbar oder tatsächlich von der Demokratie verabschiedet. Nein, man müsse die Grünen klein halten. Die Partei, die bei sechs Prozent steht und aktuell ohnehin schon wie keine andere in den sozialen Netzwerken, wie auch im realen Leben, angegriffen und angegangen wird. Ja, geht´s noch?

 

Die AfD wird geschont, nach den am Boden liegenden Grünen getreten. Dazu passt die heutige Meldung, dass 68 Prozent der ostdeutschen CDU-Mitglieder einer Koalition mit der AfD offen gegenüberstehen. Brandmauer? Am Arsch!


Am Ende wird nach den Wahlen in Sachsen (und vielleicht auch Thüringen und Bran­den­burg) die Meldung zu lesen sein: Um Chaos zu verhindern, werde die CDU mit der AfD koalieren. Damit hätten sich die Christdemokraten, weder christlich noch demokratisch, zu den Steigbügelhaltern gemacht, die einer gesichert rechtsextremen AfD in die Re­gierung verholfen haben. Aber Hauptsache, die Grünen wurden kurzgehalten. Was sind wir froh!

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