Seit ein paar Jahren mache ich mir regelmäßig zum Jahresbeginn Gedanken zur jeweiligen Jahreslosung. Vielleicht hat sich schon jemand gewundert, warum das in diesem Jahr noch nicht passiert ist. Ich gebe zu, ich bin später dran als sonst. Aber das hat unmittelbar mit der Jahreslosung 2024 zu tun. Diese steht im ersten Brief an die Korinther und lautet: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Korinther 16,14).
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“. Das ist ein schöner Satz nahezu am Ende des Paulusbriefes. Ein Appell. Ein Aufruf. Und dann blicke ich in dieses Jahr, lasse die Bilder der Nachrichten, welche tagtäglich auf uns einprasseln, Revue passieren: Den Krieg in der Ukraine. Den Terror der Hamas. Die Vergeltungsangriffe Israels. Das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen und die Verzweiflung der Angehörigen verschleppter israelischer Geiseln. Die aufgeladene Stimmung (nicht nur) in unserem Land, welche zunehmend Gesellschaften spaltet. Und die hässliche Fratze des Hasses, der dabei anstelle eines sachlichen Diskurses immer tonangebender wird. Galgen, und aufgeknüpfte Puppen, die bei Demonstrationen mitgeführt werden. Menschen, die gar nicht mehr zu einem Austausch bereit sind.
Es sind Bilder, die einen müde und mürbe werden lassen. Die einen zweifeln oder gar verzweifeln lassen. Die an vielen Stellen nur schwer zu ertragen sind. Düstere Zeiten. Und dann steht da dieser eine Satz: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Er wirkt wie ein aus der Zeit gefallener Kontrapunkt zu den Ereignissen und Entwicklungen der letzten Monate. Und man fragt sich unweigerlich, wie passt das zusammen?
Vielleicht gar nicht. Vielleicht sind die Gegensätze einfach zu stark, die Fronten zwischen verfeindeten (politischen) Lagern oder Kriegsparteien zu groß. Vielleicht ist es aber gerade in diesen Zeiten der wichtige und nötige Aufruf, der Appell, sich vielleicht neu auszurichten. So, wie man einen Kompass im Gelände immer wieder an Wegmarken ausrichten muss. Vielleicht ist gerade in dieser Zeit der Spaltung und der Konflikte ein neues, anderes Bewusstsein wichtig und nötig. Ich frage mich angesichts der Bilder aus der Welt immer wieder, warum man nicht einfach friedlich zusammenleben kann. Am Ende liegt das an einer fehlenden oder fehlerhaften Ausrichtung.
Oder an einer falschen Auslegung. Da ist für manche, die gerade protestieren, die Liebe zu ihrem Beruf ein Motiv. Manche, die gegen Ausländer oder Flüchtlinge hetzen, berufen sich auf die Liebe zu ihrem Volk oder Land. Gleiches dürfte für die Kriegsparteien überall auf der Welt gelten. Aber diese Liebe ist mit Sicherheit nicht gemeint.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“. Wenn Paulus das schreibt, jemand, der Christen verfolgt hat und am Ende um seines Glaubens willen selbst verfolgt wurde, dann meint er damit eine Liebe seinem Nächsten gegenüber, eine Liebe, die auch vergeben und verzeihen kann. Eine Haltung, die Grundlage sein kann für Frieden und ein gutes Miteinander. Genau das wünsche ich uns allen für dieses Jahr, persönlich und als Gesellschaft.
Das mag vor dem Hintergrund der herrschenden Krisen naiv klingen. Aber es gibt bekanntlich noch andere Werte, die einem in schwierigen Zeiten helfen und neue Kraft und Zuversicht spenden können. Diese hat Paulus ebenfalls im ersten Korintherbrief (1. Korinther 13,13) so schön beschrieben: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“
So wünsche ich uns allen für dieses neue Jahr den nötigen Glauben, die Hoffnung und die Liebe, um dieses Jahr zu einem guten Jahr werden zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich (mit ein paar Tagen Verspätung) ein frohes, glückliches und vor allem auch gesundes neues Jahr und alles Gute für 2024!
(Motiv: Verlag am Birnbach – Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen)
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