Die Landtagswahl in Bayern ist vorüber. Die in Hessen auch. Ich möchte mich an dieser Stelle jedoch auf das südlichere Bundesland beschränken. Hier wird so mancher Wähler oder Politiker frohlocken, leise „Hosianna!“ lispeln oder laut herausrufen, während in bekannter Weise das Manna vom weiß-blauen Himmel fließt. Ein wenig ist es wie bei Thomas Engel Aloisius, dem berühmten Münchner im Himmel.
„Hosianna!“ bei der CSU: Denn trotz historisch schlechten 37,0 Prozent können Markus Söder und seine CSU weiterregieren. Dummerweise mit den auf 15,8 Prozent erstarkten Freien Wählern um Hubert Aiwanger – auf welche sich der Ministerpräsident schon deutlich vor der Wahl festgelegt hat. Diese fordern nun ein viertes Ministerium und haben einen 39-Punkte-Katalog, welchen sie im Koalitionsvertrag wiederfinden wollen. „Hosianna!“ auch dort.
„Hosianna!“, rufen auch diejenigen, die der Ampel-Regierung in Berlin mal so richtig eine auswischen wollten: SPD, Grüne und Liberale haben zusammen fast sieben Prozent verloren. Die SPD erneut historisch schlecht, die FDP aus dem Landtag geflogen, die Grünen nicht mehr Oppositionsführer. Die Linke mit 1,5 Prozent kaum noch als Balken im Diagramm erkennbar. Nicht nur von morgens acht Uhr bis mittags zwölf Uhr frohlockt hingegen die AfD. Mit einem satten Plus von 4,4 Prozent, hat sie am stärksten hinzugewonnen und ist nun Oppositionsführerin. In Sitzen ausgedrückt hat die Ampel 12 Mandate verloren, Freie Wähler und AfD im Gegenzug jeweils zehn hinzugewonnen.
Das ist eine deutliche Verschiebung in der politischen Skala: 67,5 Prozent der Wähler:innen haben damit eine rechts-konservative Politik gewählt. Dreiviertel der Sitze im Bayerischen Landtag sind von CSU, Freien Wählern und AfD besetzt.
Was sagt uns das?
Wer den Populismus der AfD kopiert, hilft den Populisten. Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Isabelle Borucki attestiert Friedrich Merz, dass dessen „Nach-Rechts-Blinken“, wie zum Beispiel mit den falschen Behauptungen zum Zahnersatz für Asylbewerber:innen nur der AfD hilft. Das wäre auch schon bei früheren Wahlen so gewesen, dass rechte Rhetorik die AfD nur gestärkt hätte. „Friedrich Merz´ Strategie ist ein Bumerang“, so die Wissenschaftlerin.
Das glauben Sie nicht? Natürlich nicht. Das wäre ja am Ende wissenschaftlich belegbar. Und dass die Wissenschaft lügt, wissen wir doch längst. Genauso wie die Presse. Generell die Medien. Die Kirchen. Die Regierung. Die Gewerkschaften. Die Sozis. Die Grünen. Die Woken. Die Versifften. Die Kleber. Die Ökos. Eigentlich alle.
Deswegen ist es doch schön, wenn man bei einer Landtagswahl einfach den Klimawandel hat abwählen können. Oder die Menschen, die uns unser Schnitzel verbieten wollen. Und unsere Heizung. Und Zucker. Und unseren Verbrennermotor. Und Winnetou. Und Weihnachten. Und eigentlich alles. Die uns dafür zum Gendern zwingen, diese Sternchen-Fetischist:innen. Und dafür sorgen, dass die Lichter ausgehen. Und gegen die Industrie sind. Und gegen Wohlstand.
Das alles stimmt zwar nicht, aber es ist halt einfach zu verstehen. Und es hebt so schön den Puls. Es füttert den kleinen Wutbürger und die kleine Wutbürgerin in uns. Es ist diese Wut, von der die AfD sagt, dass es für sie kein Selbstzweck ist. „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“, sagte der ehemalige Pressesprecher der Partei. Deshalb bieten sie keine (umsetzbaren) Lösungen an, sondern verkaufen Probleme. Probleme, die es de facto gar nicht gibt. Und dann reicht es am Ende „Es reicht!“ zu plakatieren.
Weil zu viele das Gefühl haben, dass es tatsächlich reicht.
Ich bin mir sicher, der Klimawandel findet auch seit dem 08. Oktober noch statt. Ich konnte bis jetzt in jeder Gastwirtschaft ein Schnitzel essen, wenn ich dies wollte. Ich kann und darf noch immer heizen, wie ich will. Ich darf meine bestehende Heizung selbst dann noch betreiben, wenn sie defekt, aber noch zu reparieren ist. Ich darf immer noch Süßes in mich reinstopfen, bis die Schwarte oder die Waage kracht. Und auch mein Auto muss ich nicht entsorgen oder gegen ein neues Fahrzeug austauschen. Und, falls ich wollte, dürfte ich sogar Winnetou sehen. Möglicherweise mehrfach. Quasi in Endlosschleife. Will ich aber gar nicht. Und ich kann Weihnachten feiern, wie ich will. Manchmal gehe ich sogar in die Kirche! Und ich kann und darf gendern, wenn ich das möchte. Ich kann es aber auch sein lassen. Und falls ich es möchte, kann ich gendern, wie ich will. Das mag den Wutbüger*innen, den Populist:innen, den Querdenker_innen und den empört Schreienden nicht gefallen.
Aber wir leben (noch) in einem freien Land. Und da gilt die Meinungsfreiheit auch für die, die im Normalfall eher die leisen Töne anschlagen. Oder wie – Vorsicht: Triggerwarnung! – Konstantin Wecker sang: „Es sind nicht immer die Lauten stark!“ Auch das gefällt den Empörten nicht, die immer noch nicht verstanden haben, dass Meinungsfreiheit nicht automatisch das Recht auf Zustimmung enthält.
Und so bleibt nur zu wünschen, dass die Bayerische Regierung, die Mitglieder im Bayerischen Landtag, die Bürgerinnen und Bürger, die Wählenden und Nicht-Wählenden am Ende nicht, wie bei Thoma, vergeblich auf die göttlichen Eingebungen warten. Natürlich nur jene, die dessen bedürfen. „Hosianna!“
Epilog:
Natürlich könnten auch eine wachsende Krisenmüdigkeit und Verunsicherung in der Bevölkerung für den Wahlausgang eine Rolle gespielt haben. Auch eine nach außen in Teilen zerstritten und handlungsunfähig wirkende Bundesregierung. Oder ein Kanzler, der vielleicht mal ein Machtwort sprechen müsste. Oder die Tatsache, dass gerade viele Krisen aufeinandertreffen und sich überlappen. Oder dass die Welt komplexer geworden ist. Aber das alles habe ich mir gespart, da vermutlich nur die wenigsten den Text bis hierher gelesen haben.
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